»Hilfe, wir werden verbrannt«

München am 13.02.1970: Ein Unbekannter schleicht sich gegen 20:45 Uhr mit einem Kanister in das jüdische Gemeindehaus in der Reichenbachstraße 27. Er verschüttet vom 4. Stock bis ins Erdgeschoss 20 Liter Benzin, entzündet es und lässt den Kanister zurück. Die Bewohner werden von einem Flammeninferno eingeschlossen. Sieben Menschen verlieren ihr Leben.

Der Anschlag

»Es ist wie damals.
Warum müssen wir das jetzt wieder mitmachen? Ich war doch acht Jahre im KZ.«

Hermann Weitz, von dem diese verzweifelte Aussage stammt, gehörte zu den Überlebenden des Anschlags. Er war 63 Jahre alt und wohnte im 2. Stock. Aus den oberen Stockwerken gab es für viele kein Entrinnen.

Es war Freitag, der 13. Februar 1970, und München stand noch unter Schock. Erst am Dienstag zuvor war bei einem Überfall palästinensischer Terroristen auf eine El Al-Maschine am Münchner Flughafen ein Israeli getötet worden.

Zwei Tage später kam es bei einer Demonstration anlässlich des Riemer Attentats, die sich gegen den zunehmenden Antizionismus wandte, zu kleineren Auseinandersetzungen mit Studenten der AstA.
Freitag, der 13. Februar 1970. Gegen 20:45 Uhr trug der Täter einen Öl-Kanister der Marke ARAL in das Erdgeschoss des jüdischen Gemeindehauses.

Er ist gefüllt mit 20 Litern Benzin. Mit dem Lift fuhr der Täter in den vierten Stock und klemmte einen Gegenstand in die Aufzugtüre, um diese zu blockieren. Für die Bewohnerinnen und Bewohner gab es keinen Fluchtweg mehr.

Über alle Stockwerke hinweg vergoss der Täter das Benzingemisch in dem hölzernen Treppenhaus. Im Erdgeschoß entzündete er das Feuer. Den Kanister wird man rußgeschwärzt wenige Stunden später unter dem Brandschutt finden.

Die Kaminwirkung des hölzernen Treppenhauses verwandelte sich in Sekundenschnelle in eine Feuerhölle. Für die Bewohner der oberen Stockwerke gab es keine Fluchtmöglichkeit mehr. Sieben Menschen starben in den Flammen. Die Geretteten kamen mit Schock und Rauchvergiftungen in die Krankenhäuser.

Die Opfer

»Es war offensichtlich, dass den Hausinwohnern der Fluchtweg über die Treppe nicht nur durch Rauch, sondern auch durch Feuer abgeschnitten war.«

Einsatzbericht der Branddirektion München

Das erste Todesopfer des Brandanschlags war Max Blum, der ein Zimmer im vierten Stock bewohnte. Von Brandgeruch und Hilferufen alarmiert, öffnete er ein Fenster und rief um Hilfe. Im Haus war durch die Flammen bereits das Licht ausgefallen, die Sicht war durch den Rauch versperrt. Max Blums Zimmer führte in den Hinterhof, somit konnte er nicht sehen, ob in der Reichenbachstraße vorne bereits Rettungskräfte eingetroffen waren. Er versuchte sich durch das Fenster zu retten, aber er überlebte den Sturz nicht.

Minuten zuvor war Leopold Gimpel aus dem zweiten Stock bei Max Blum im Zimmer, um ihm ein Buch zurückzubringen. Sein Rückweg über das Treppenhaus war bereits versperrt und er flüchtete sich in die Toiletten am Ende des Ganges. Dort wurde sein Leichnam gefunden. Seine Frau, die in der gemeinsamen Wohnung im zweiten Stock wartete, überlebte.

Im Dachgeschoss wohnten Rosa Drucker und Georg Pfau. Sie wurden bei ihrem Fluchtversuch mit der Modistin Regina Becher, die auch in der Mansarde wohnte, im Treppenhaus von den Flammen eingeschlossen.
Sie erreichten nicht einmal mehr das nächste Stockwerk.

Die Uhr eines weiteren Todesopfers blieb um 20:57 Uhr stehen. David Jakubowicz lebte seit sechs Jahren im vierten Stock des Gemeindehauses. Er hatte bereits die Koffer gepackt, um zu seiner Schwester nach Israel auszuwandern. Doch er wollte den Schabbat abwarten. Auch sein Fluchtversuch über die Treppe misslang. 

Der Bibliothekar Siegfried Offenbacher feierte wenige Tage vor dem Anschlag seinen 71. Geburtstag. Bereits 1934 war er in das KZ Dachau verschleppt worden. Er wanderte nach Israel aus, aber kehrte nach dem Krieg in seine geliebte Heimatstadt München zurück. Siegfried Offenbacher war schwerhörig und bemerkte zu spät, dass ihn das Flammeninferno bereits eingeschlossen hatte.

Viele Bewohnerinnen und Bewohner konnten gerettet werden. Einige überlebten, indem sie sich auf das Dach flüchteten, unter dem bereits ihre Zimmer brannten. Im letzten Moment wurden sie über die Drehleitern der Feuerwehren in Sicherheit gebracht.

Fast alle Ermordeten waren Überlebende der Schoah. Sie wurden am 13. Februar 1970 Opfer antisemitischen Hasses.

Archivfoto der Feuerwehr München
Archivfoto der Feuerwehr München
Archivfoto der Feuerwehr München
Archivfoto der Feuerwehr München
Archivfoto der Feuerwehr München

Die Täter

Die 60köpfige Sonderkommission der Münchner Polizei ermittelte in alle Richtungen: Hausbewohner, Brandstifter, arabische Gastarbeiter und Studenten (vor allem Palästinenser), die politische Szenen vom rechten bis zum linken Spektrum.
Am Ende lag der Hauptverdacht auf den Tupamaros München und der Aktion Südfront. Ein Personenkreis, unter dem sich spätere RAF-Terroristen und potentielle Brandstifter befanden.

Helfen Sie mit!

Der endgültige Beweis wurde nie erbracht. Der oder die Täter wurden bis heute nicht ermittelt.
50 Jahre danach: Mitwisser, Sympathisanten und (Mit)täter könnten noch leben: Brechen Sie endlich Ihr Schweigen!

Archivfoto der Feuerwehr München

getötete Menschen

ermittelnde Polizisten

Jahre unaufgeklärt

Ein besonderer Dank

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